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Alexander von Humboldt

Reisebericht von Hartmut Köbke

Segeltörn mit der „Alexander von Humboldt” von Kiel nach Travemünde vom 25. bis 29. Juni 2007

Wir waren 39 Trainees, die die „Alex” am Vormittag des 25. Juni aus ihrer Siesta nach der Kieler Woche erweckten. Seitens der DSST (Deutsche Stiftung Sail Training, Träger der „Alex”) war alles wunderbar vorbereitet: Die Kabinen und Kojen waren verteilt, die Wachen und Backschaft (Küchendienst) eingeteilt. Die Stammbesatzung (19 Berufs- und Hobby-Windjammer-Segler) musste nun aus 39 Trainees in den nächsten 4 Tagen eine halbwegs funktionierende Crew zusammenschmieden. Apropos schmieden: Es waren 25 Elektriker mit an Bord, die teilweise noch nie auf einem Segler waren. Um es gleich vorweg zu sagen: Es war ein wunderbares Zusammenleben und -arbeiten und deshalb auch ein wunderbarer Törn.
Da ein Großsegler über 24 h sicher funktionieren muss, wurden wir Trainees auf 3 Wachen verteilt, das bedeutet, zweimal am Tag 4 h Wache. Ich fand mich in der 8 / 12 Wache wieder, d. h. von 08:00 – 12:00 Uhr und von 20:00 – 24:00 Uhr. Andere traf es schlimmer! Zu jeder Wache gehört natürlich auch geschultes und erfahrenes „Fachpersonal”: Ein professioneller Steuermann, ein Toppsmatrose (praktischer Leiter der Wache, ein langjährig-erfahrener Amateur-Windjammer-Segler) und 2 – 3 Matrosen oder Leichtmatrosen (sie helfen den Trainees bei der Umsetzung der Anweisungen). Das „Fachpersonal” wird dann noch abgerundet durch den Kapitän, 2 Küche, 3 Maschinisten und ein Bootsmann. Ich denke, so ausgestattet kann man einen Windjammer-Segeltörn antreten.
Na denn, Leinen Los! Halt, Stopp, noch nicht, erst müssen die Trainees unterwiesen werden. Das ist der Job der Toppsmatrosen. Alle 3 waren übrigens Frauen. Gewissenhaft wurden wir in allen Fragen der Sicherheit, wie Segel gesetzt und geborgen werden und wie man sich im Rigg bewegt, unterwiesen. Die Sicherheit steht dabei an oberster Stelle, d. h. niemand muss ins Rigg, man macht nur das, was man sich auch zutraut! Ein umfangreiches und kompliziertes Thema: die 25 Segel.
Jedes Segel wird von Deck aus gesetzt und geborgen. Für die Rahsegel benötigt man zum Setzen die Schoten und zum Bergen die Geitaue und Gordinge. Ausgerichtet werden die Rahen mit den Brassen. Die Schratsegel (Stagsegel) werden mit den Fallen gesetzt, mit den Schoten bedient und mit den Niederholern geborgen. Und dieses ganze Gewirr von aufgeschossenen Enden findet man dann an Deck an den verschiedenen Nagelbänken (die U-förmigen Nagelbänke an den Masten hat man „Mastgarten” getauft) wieder. Damit die Verwirrung nicht all zu groß ist, hat die DSST einen Belegplan herausgebracht, an dem man sich anfänglich orientieren kann. Es gibt auch tröstende Worte, dass das alles nach bestimmten Regeln logisch aufgebaut ist, z. B. „von unten nach oben” – „von innen nach außen” – „von vorn nach achtern”. Die anfängliche Verwirrung bleibt aber trotzdem.

Aber pünktlich um 16:40 Uhr hieß es dann endlich: „Leinen los” Aber so einfach auch wieder nicht: Der Kapitän hatte sich fürs Ablegen eine bestimmte Reihenfolge vorbehalten. Und so wurden nacheinander die Vorspring, die Achterleinen, die Achterspring und die Vorleinen losgeworfen (die exakte Reihenfolge habe ich mir nicht notiert). Das Bugstrahlruder half noch ein wenig nach und dann lag die Kieler Förde bei strahlendem Sonnenschein auch schon vor uns.

Außerhalb der Kieler Förde wurden auch gleich die ersten Segel gesetzt. Meist fuhren wir mit den Unter- und Obermarssegeln des Vor- und Großtopps. Dazu kamen noch 2 Klüversegel (Innen- und Außen-) und verschiedene Stagsegel (Besanstengestag-, Großstengestag- u. a.). Mit dieser Besegelung, den unerfahrenen Trainees und dem schlechter werdenden Wetter war die „Alex” gut besegelt. Abends wurde die „Alex” dann auch durch eine schwere Schauerbö kräftig durchgeschüttelt. Am 26.06. um 03:30 Uhr hatten wir die Insel Fehmarn an Steuerbord querab. Tagsüber kreuzten wir in der Lübecker Bucht in Richtung Wismar. Aber Wenden mit einer Bark ist immer ein besonderes Manöver. Es bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung und daher viel Zeit. Wenn, dann muss eine Wende also rechtzeitig erfolgen. An allen Toppen werden Segelmanöver in bestimmter Reihenfolge durchgeführt. Eine genaue Abfolge sprengt aber hier den Rahmen. Im Prinzip kann man aber sagen, mit dem backstehenden Vortopp wird das Schiff durch den von vorn einfallenden Wind „herumgedrückt”.

Obwohl Wismar immer näher kam duckte sich die alte Hansestadt vor dem aufziehenden Sturm und ward nicht mehr zu sehen. Der Lotse kam an Bord und übernahm das Kommando. Die aufgegeiten Segel wurden noch von der Stammbesatzung enger gezurrt, damit die verbleibende „Segelfläche” von Masten und Rahen nicht noch unnötig vergrößert wurde. Der Motor dankte es, lief wie eine Nähmaschine und brachte uns sicher in den Hafen von Wismar. Es war 22:30 Uhr, als die „Alex” nach schwierigem Anlegemanöver endlich fest lag.

Am nächsten Tag (27.06.) war Landgang angesagt und wir konnten uns in Ruhe die alte Hansestadt ansehen. Wie reich die Hansestädte waren konnte man an der damaligen geringen Einwohnerzahl (ca. 5.000) und den 3 mächtigen Kirchen (gestiftet von den Seefahrern und Fischern, den Handwerkern und den Bierbrauern) erkennen. Leider steht von der St. Marienkirche nur noch der Turm. Die Kirche wurde während des Krieges zerstört und 1960 endgültig gesprengt. Die St. Georgenkirche wird z. Zt. aufwendig restauriert. Einzig die St. Nikolaikirche steht im Stil der norddeutschen Backsteingotik prächtig da. Auch sie ist allerdings renovierungsbedürftig. über Wismar kann man noch einiges mehr erzählen, aber wir sind ja hier auf einem Windjammer-Törn. Für Schiffsmodellbauer vielleicht eins noch: Wir lagen an derselben Pier wie die „Wissemara”, der Poeler Kogge, einem Nachbau einer Hanse-Kogge. Eine Zeitreise durfte natürlich hier nicht fehlen.

Auf einem 4-Tagetörn einen Tag im Hafen liegen ist sehr schmerzhaft und deshalb hieß es denn auch gleich früh morgens am 28.06. um 08:00 Uhr: „Leinen los!” Die letzten kamen gerade erst aus der Disco, aber keiner ist in Wismar hängen geblieben. Wieder mit einem Lotsen wurde das Fahrwasser der Wismar Bucht passiert. Das Fahrwasser ist anfänglich sehr eng und außerhalb des Fahrwassers wird’s flach, sehr flach! Das Leuchtfeuer von Timmendorf (auf der Insel Poel vor Wismar) größte noch zum Abschied und dann ging’s unter Segel in Richtung Travemünde. Eine Wende wurde noch gefahren und dann mussten wir uns wieder auf unsere Maschine verlassen, denn der Wind wehte genau aus Travemünde. Am 28.06. um 17:15 Uhr fiel der Anker vor Niendorf und dann hieß es, nein nicht „klar Schiff”, sondern „Käpt’ns Dinner!” Am nächsten Morgen wurden all die Sachen gemacht, für die man zuhause die tollsten Ausreden parat hat. Nicht nur „Alex”, sondern die nachfolgende Crew, dankte es. In Travemünde wurden wir herzlich begrüßt, auf der „Passat” wurde sogar die Flagge gedippt. Ob wir diesen Gruß erwidert haben konnte ich nicht beobachten, denn unsere „Nationale” hatte sich an der Obergaffel verfangen.

Zum Schluss waren noch viele Dankesworte zu hören. Dahinter steckt aber auch der besondere „Alex-Geist”, der nicht irgendwann vom Himmel fiel, sondern im Rahmen der STAG und DSST von erfahrenen Windjammer-Seglern ausgearbeitet wurde und auf jedem Törn gepflegt wird. Insbesondere wird hier daran gedacht, der Jugend Werte zu vermitteln, die nur auf einem Großsegler erlebt werden können. „Dabei soll traditionelle Seemannschaft unter Segeln zur Verbesserung körperlicher, seelischer und sozialer Funktionen (Charakter-/Sozialtraining) in Vordergrund stehen” (DSST)

Ach ja, Andenken habe ich auch mitgebracht: Für Schiffsmodellbauer eine kleine Sammlung von Detailaufnahmen von der „Alex”.

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Hartmut Köbke
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